Alte versus neue Medien

In den letzten Tagen wurde in der hiesigen Blogosphäre manchenorts über das Verhältnis zwischen Journalisten und Bloggern beziehungsweise zwischen alten und neuen Medien spekuliert (vgl. «Qualitätssicherung in Blogs» im bernetblog.ch, «Was kümmern uns die Journalisten?» im metablog.ch, «Journalismus? - Nicht mit uns!» bei den Blogdenunzianten oder die fundierte Analyse «Machen Blogger die Journalisten überflüssig?» beim krusenstern.ch). Unter dem Titel «Wirbelwind Internet» widmet die «Neue Zürcher Zeitung» heute gleich zwei volle Seiten dem vermeintlichen Spannungsfeld zwischen alten und neuen Medien. In seinem Beitrag «Die Geschichte der Zukunft der Zeitung» kommt Stefan Betschen zum Schluss: «Mit dem Internet wurde nicht einfach ein neues Medium eingeführt, sondern eine neue Medienordnung; es hat nicht einfach ein neuer, starker Mitspieler den Platz betreten, die Spielregeln haben sich geändert.» Ich glaube, dass sich nicht nur die Spielregeln in der Medienlandschaft verändert haben, sondern auch die Kategorien, mit denen wir das Phänomen «Medien» zu verstehen suchen. Ich möchte nur zwei Beispiele nennen.

Öffentlichkeit versus Privatheit
Die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit haben sich mit dem Internet noch stärker verwischt. Das Internet macht vieles öffentlich zugänglich, was nach unseren gängigen Vorstellungen ins Private gehörte. Tagebücher zum Beispiel wären ja per Definition etwas Privates, und nicht etwas Öffentliches. Freilich ist das Internet nicht der Ursprung dieser Entwicklung; aber es ist ein effizienter Multiplikator in einer Zeit, die ihre Kinder zur Selbstvermarktung drängt.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie weit der Begriff Öffentlichkeit überhaupt noch sinnstiftend ist. Schliesslich gibt es nicht die eine Öffentlichkeit. Es ist vielmehr die Rede von Teilöffentlichkeiten, Gegenöffentlichkeiten, Mitöffentlichkeiten, usw. Niemand weiss genau das Wesen und der eigentliche Zweck dieser Sphären zu bestimmen. Die Aufgabe der alten Medien wäre es ja, Öffentlichkeit herzustellen und so innerhalb der Gesellschaft eine Klammerfunktion wahrzunehmen. Doch wie ist das möglich, wenn die Öffentlichkeit sich in der Privatheit aufzulösen beginnt?

Objektivität versus Subjektivität
Eine Art, mediale Öffentlichkeit herzustellen, ist die Flut an Informationen zu bewerten und eine Selektion mit dem hehren Anspruch zu treffen, ein möglichst ausgewogenes, ja objektives Bild der Wirklichkeit zu zeichnen. Freilich entspricht dies nicht der Realität. Die einen Medien deklarieren offen ihren ideologischen Standpunkt, von dem aus sie die Welt betrachten, andere versuchen durch eine vorgetäuschte Meinungsvielfalt, eine gewisse Ausgewogenheit zu garantieren. Dritte haben sich ganz einfach dem Ökonomismus unterworfen. Doch immer bleibt der Journalist als Vermittler einer Idee, einer Meinung oder einer PR-Botschaft im Hintergrund.

Und nun kommt im Internet eine neue Autorenschaft auf, deren Prinzip das ICH ist. Vermittelnswert ist, was aus der Flut an Informationen und Eindrücken in der eigenen Wahrnehmung hängen bleibt. So weicht in der «öffentlichen» Sphäre des Internets die vermeintliche Objektivität dem Spiegelgarten unzähliger Subjekte. Auch in diesem Fall ist die Aufgabe der alten Medien in Frage gestellt, ein gemeinsames und möglichst objektives Verständnis der Wirklichkeit zu schaffen.

Fazit
Wohin die rasanten Umwälzungen im Medienbereich uns führen werden, ist noch nicht absehbar. Aus einem gesellschaftspolitischen Blickwinkel glaube ich, dass althergebrachte Kategorien beim Verständnis des Phänomens der Medien aufgrund der realen Entwicklungen überkommen sind. Wenn man die alten gegen die neuen Medien ausspielt, hat das aber viel mit diesen Kategorien zu tun. Eine fruchtbare Koexistenz jenseits dieser Kategorien ist für mich jedenfalls vorstellbar.

Aktuelle Links:
- Weblogs: Modeerscheinung oder moderner Journalismus? (28.3.2007
auf Medien Monitor)
- Mit Herzblut bloggen (14.3.2007 auf Medien Monitor)

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